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KANARISCHE INSELN

Die größte der Kanarischen Inseln, Teneriffa, ist als Insel mit ewiger Sonne ein Stück Erde, das einem Maler eine Fülle von verschiedenen "Glücklichen Zeichen" bescheren. Ich fand dort so viel Sonne und eine Vegetation, die mir ein jubilieren in den Pinsel jagte. In Bajamar, an der Nordküste der Insel gibt es Meeresbrandung von grandiosen Ausmaßen... Diese Insel hat aber auch eine dunkle, sehr beängstigende Seite; der "Pico de Teyde" ein erloschener Vulkan...
Dieser unheimliche Brocken, man sieht ihn vom Meer aus bei der Anfahrt, man sieht ihn, wenn man auf der Insel lebt, immer; er ist immer da und "beunruhigt". Je näher ich ihm kam, um so mehr ließ er mich erschauern, dieser aus Eruptivgestein geschaffene schwarze Brocken. Des Schöpfers Hand meinte ich zu verspüren, ja zu erkennen. Wie mag es da zugegangen sein, als dieser Brocken (er ist nahezu 4000 Meter hoch) aus dem Ozean herausgeschleudert wurde? Wie oft müssen in grauer Vorzeit Explosionen stattgefunden haben. Kilometerweite Schlackenfelder lassen erahnen, wie es da gebrodelt und gedampft haben muss. In etwa 2500 Meter Höhe stehen auf einer verschluckten Plattform Blöcke da, als hätte man sie hingestellt. Diese Eruptiv-Skulpturen gleichen mächtigen Giganten. Wie ist es möglich, dass diese Skulpturen und jede Schlacke ein formales Gebilde sind? Es vollzogen sich mehrere Stationen im Geschehen. Feuerschleuderkraft, Gase, Fallen, Stehen und Erstarren. Die Gase haben die Durchbrechungen geschaffen. Solche Gaslöcher bringen einen Reiz in der Formung. Urkräfte (wie kann man sie nennen und wo kommen sie her), aneinander gereihte Schöpferkräfte vollbrachten diese Wunder. Solche "informellen" Formen, wie eine ewige Musik in erstarrtem Gestein, unendliche Wiederholungen im Gleichen, wie ein Orchester um einen Orgelpunkt.
Die Flugreise von Santa Cruz über Las Palmas nach Casablanca kann nur ein Dichter beschreiben. Bei vollkommener Windstille in 1000 Meter Höhe im tiefblauen Himmel, die Schafwölkchen in greifbarer Nähe, ein Gefühl ohne Schwere Flug, Höhenflug. Weit unten, als wir uns der Nordwestküste Afrikas näherten und an ihr weiterflogen, lagen auf _ der Erde (fürs Auge magisch gemischt mit Meer und Strand das Irritieren war zauberhaft dazwischen klare Sehfelder;) die herrlichsten abstrakten Bilder, so ganz auf "Fläche" gebracht. Wie

zog dieser einmalige, viele Kilometer lange Bildstreifen an meinem Auge vorüber. Es war wie Zauberei, es ging viel zu schnell an meinem Auge vorüber, oh, wie gerne hätte ich das alles auf der Tafel festgehalten. Ob Paul Klee so etwas in der Natur gesehen hat? Ich fand viele, viele herrlichste Klees dort unten ausgebreitet. Erregt dachte ich: Erfinden können wir nichts. Wir können nur ordnen (sofern wir unser Rüstzeug geschaffen haben) und in Beziehung zum Bildrechteck bringen. Die Sonneninsel mit dem bösen Pico bleibt mein widerspruchsvolles Modell. Die Flugreise übertönte, erhöhte, befreite und harmonisierte meine innere Unruhe. Viele meiner Bilder heißen Sonneninsel, Bajamar, Pico 1, Pico 2, Pico 3
Der Maler in mir war vom dualistischen Erleben der Insel Teneriffa vom ersten Tag an gefesselt. So war meine malerische Produktion zweiseitig und kann den Eindruck der Unsicherheit erwecken. Die beiden Pole nährten meine Malerei, ob sie sich gegenseitig steigerten? Meine auf Teneriffa erlebten Zeichen sind "mythenlos", aber da sie erlebt sind, werden sie eine geheime Sprache sprechen. Alle Erlebnisse machen den Weg durch den dynamischen Kontrapunkt, denn nur so werden sie Form.
Ich bin durch meinen längeren Aufenthalt auf Teneriffa in die glückliche Lage versetzt, keine "Anregungen" bei Völkerkunde und Frobenius holen zu müssen. Ich brauche keine alten "Urzeichen" nachzumachen, um mit ihnen ein mythenentleertes Spiel zu treiben. Denn: ich war dabei, ich war dabei.
Gern will ich hoffen, dass die Sonneninsel in mir siegt. Ich will der hymnischen Freude die Oberhand geben, weil ich glücklich sein will und andere Menschen damit beglücken kann. Das Verderben, das dämonisch Erhabene soll nicht für immer meine Sache sein; deshalb gehe ich auch der Atom Chaos Tendenz unserer Zeit aus dem Wege.
Es lag Glück über meinen Malerfahrten. Wohin soll ich noch eine Reise unternehmen? Es wird gut sein, wenn ich daheim bleibe und die so glücklich gereihten Naturerlebnisse nicht zu sehr vermische und verwische.

Max Ackermann 1961 auszugsweise veröffentlicht unter dem Titel "Glückliche Zeichen" in "Christ und Welt" 14.Jg. Nr.52, 1961



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Letzte Änderung: 20.11.2002 | Copyright: Max-Ackerman-Archiv

 

Zitat

"Ich male, was ich muß!"
Max Ackermann

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